26. November 2021
Newsletter Minderheitenpolitik Nr. VII
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Liebe Leserinnen und Leser,
in den vergangenen Monaten haben wir uns in bewährter Weise für die in Brandenburg lebenden autochthonen Minderheiten, die Sorben/Wenden und die deutschen Sinti und Roma, sowie für die Regionalsprache Niederdeutsch (Platt) im Landtag und bei Arbeitskontakten mit Akteurinnen und Akteuren der Minderheitenpolitik eingesetzt. Mit der Großen Anfrage zur Umsetzung des Abschlussberichts der „Unabhängigen Kommission Antiziganismus“ im Land Brandenburg, mehreren Kleinen und Mündlichen Anfragen sowie verschiedenen Presseerklärungen hat DIE LINKE deutlich gemacht, welche Anforderungen sie für die Landespolitik in diesem Politikbereich sieht. Im Hauptausschuss haben wir minderheitenpolitische Fragen im Zusammenhang mit den geplanten Verfassungsänderungen thematisiert. Lesen Sie selbst.
Dieser Newsletter wird an Kontaktadressen von Vereinen, Einrichtungen und Initiativen geschickt, die auf den jeweiligen Internetseiten öffentlich zugänglich sind. Gerne können Sie den Newsletter an mögliche weitere Interessentinnen und Interessenten weiterleiten. Wenn Sie Ihn direkt abonnieren oder nicht mehr erhalten wollen, schicken Sie uns bitte eine kurze Mail.
Bleiben Sie gesund! Ihre
Kathrin Dannenberg, MdL (Sprecherin für Minderheitenpolitik)
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Umsetzung des Berichts der „Unabhängigen Kommission Antiziganismus“
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Es gibt doch in Brandenburg fast keine Sinti und Roma, wird der eine oder andere sagen, wenn er hört, dass DIE LINKE eine Große Anfrage an die Landesregierung zur Umsetzung des Abschlussberichtes der „Unabhängigen Kommission Antiziganismus“ eingereicht hat. Warum also zu solch einem Thema eine parlamentarische Initiative?
Zu unseren programmatischen Zielen gehört der Kampf gegen jegliche Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Das bedeutet auch: Niemand darf wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe diskriminiert werden. Für alle in der Bundesrepublik Lebenden gelten grundlegende Verfassungssätze wie: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art 1 Abs.1) und „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ (Artikel 3 Abs. 1).
Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg – sie waren für die Angehörigen der deutschen Mehrheitsbevölkerung seit Alters her Nachbarn. Zugleich waren sie aber fast immer historisch gewachsenen Vorurteilen ausgesetzt und an die Ränder der Städte und Dörfer verbannt; sie wurden durch staatliche und kommunale Stellen verfolgt. Nach 1933 setzte auch auf dem Territorium des heutigen Brandenburgs die systematische Verfolgung und Erfassung ein, die für die übergroße Mehrheit im Vernichtungslager Auschwitz oder in anderen Konzentrationslagern endete – die meisten von ihnen, darunter viele Kinder, verloren dort ihr Leben.
Obwohl die Zahl der in unserem Land lebenden Angehörigen der Minderheit heute gering ist, gibt es jedoch nach wie vor Ressentiments und offene Diskriminierung gegen Angehörige der Minderheit, Antiziganismus gehört wie Antisemitismus leider auch in Brandenburg zum Alltag. Diesem Problem widmete sich die auch mit Unterstützung der LINKEN Ende 2019 eingesetzte „Unabhängige Kommission Antiziganismus“. Sie legte im Frühjahr einen über 500 Seiten starken Bericht mit zahlreichen Empfehlungen vor.
Deren Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass Antiziganismus „ein aktuelles, historisch gewachsenes und eigenständiges Macht- und Gewaltverhältnis dar(stellt), dessen bislang radikalste Ausprägung der staatlich organisierte Genozid im Nationalsozialismus war“. Um Antiziganismus beziehungsweise Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja zu überwinden, bedarf es nach der Überzeugung der Kommission eines grundlegenden Perspektivwechsels in der Gesellschaft, der die Relevanz von Antiziganismus anerkennt und die damit zusammenhängenden strukturellen und institutionellen Macht- und Gewaltverhältnisse kritisch reflektiert und zu überwinden trachtet. Zum zweiten ist eine Politik der nachholenden Gerechtigkeit erforderlich, die das seit 1945 begangene Unrecht gegenüber Überlebenden und deren Nachkommen ausgleicht. Und drittens bedarf es einer gezielten Förderung von Partizipation, um Selbstorganisationen bei der Durchsetzung von gesellschaftlicher Teilhabe dauerhaft zu unterstützen.
Welche Vorstellungen die Brandenburger Landesregierung zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Kommission konkret bezogen auf unser Land hat, wollen wir jetzt über die Große Anfrage erfahren. Wie die minderheitenpolitische Sprecherin der Fraktion Kathrin Dannenberg sagt, soll die Antwort der Landesregierung die Grundlage für einen umfassenden politischen Diskussionsprozess im Landtag und in der Öffentlichkeit des Landes sein.
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„Witamy w Brandenburgii“
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Wo bekommen wir eine ausreichende Zahl an Lehrkräften und Erzieherinnen für den Sorbisch/Wendisch- und den bilingualen Unterricht sowie für die Kitas her? Die Zahlen des Bildungsministeriums für Lehrkräfte sprechen eine klare Sprache: Im Schuljahr 2020/2021 wurden 48 Lehrkräfte im Sorbisch/Wendisch-Unterricht und/oder bilingualen Unterricht eingesetzt. Von den 10 Lehrkräften, die bis zum Jahr 2025 in den Ruhestand gehen sollten, sind bereits jetzt 6 Lehrkräfte vorzeitig ausgeschieden. Real gibt es also gegenwärtig nur noch 45 Lehrkräfte. Wie prekär die Situation in einzelnen Schulen ist, erfährt man in Gesprächen, leider nicht durch das Ministerium.
Diskutiert wird deshalb auch darüber, ob nicht eine Unterstützung aus dem slawischsprachigen Raum helfen könnte. Vor dem Hintergrund hat Kathrin Dannenberg - nach einer Mündlichen Anfrage im Frühjahr - nun zwei Kleine Anfragen an die Landesregierung gerichtet: eine bezog sich auf die Gewinnung von Lehrkräften, die andere auf Gewinnung von Kita-Erzieherinnen. Die Landesregierung antwortete eher ausweichend.
Für den Kita-Bereich erkannt sie einen gewissen Qualifizierungsbedarf an, zugleich sagt sie aber nicht, worin der denn konkret besteht und mit welchen Maßnahmen – über die von Rot-Rot eingeführte Förderung - sie selbst einen Beitrag zu Abbau der Probleme leisten will. Für den Schulbereich wird auf die Ausbildung von Lehrkräften für Sorbisch/Wendisch am Institut für Sorabistik in Leipzig, allerdings mit einer sehr geringen Zahl von Studierenden aus der Niederlausitz verwiesen. In der letzten Zeit wurden darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Lehrkräften für den Einsatz im Sorbisch-/bilingualen Unterricht sowie in sorbischsprachigen Kita-Angeboten auf den Weg gebracht. Aber all das wird nicht reichen. Insoweit verwundert es schon, dass die Landesregierung die Werbung von Lehrkräften aus dem slawischsprachigen Raum, vor allem aus Polen, offensichtlich nicht ernsthaft verfolgen will – denn das zeigt die Antwort auf die Kleine Anfrage.
Allgemeine Lippenbekenntnisse (Lehrkräfte aus Polen könnten sich ja bewerben) reichen nicht, um die Situation im Sorbisch/Wendisch-Unterricht ernsthaft zu verbessern! Nur wenn die jungen Fachleute mit einem „Witamy w Brandenburgii“ in Brandenburg herzlich willkommen geheißen werden, könnten sie auf Dauer bleiben und hier künftig einen Beitrag zu einem qualitativ hochwertigen Sorbisch/Wendisch-Unterricht leisten.
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Wann kommt das Mehrsprachigkeitskonzept?
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Im März waren sich die demokratischen Parteien im Landtag einig: Brandenburg braucht endlich ein Mehrsprachigkeitskonzept, ein Konzept, das auch die Minderheiten- und Regionalsprachen einschließt. Mehr als 10 Jahre hatten wir LINKE uns dafür eingesetzt … Nun gibt es seit März einen Landtagsbeschluss, der die Landesregierung verpflichtet, dem Parlament bis Ende des Jahres 2021 Eckpunkte des zu erarbeitenden Konzepts vorzulegen. Bis Dezember hat es die Regierung nicht geschafft, aber immerhin: Am 6. Januar 2022 sollen die Eckpunkte nun in einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur und des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport vorgestellt werden. Wir werden sehen, wie weit das Bildungsministerium bis zu diesem Zeitpunkt gekommen ist. Denn nach dem Willen des Landtages soll das fertige Konzept 2022 nicht nur vorliegen, sondern es soll auch bereits mit der Umsetzung begonnen werden.
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Anhörung zur Änderung der Landesverfassung im Landtag
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Seit Juni gibt es einen gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, CDU, BÜNDNIS90/GRÜNEN und DIE LINKE zur Änderung der Landesverfassung – leider bisher ohne die von den Minderheitenverbänden (Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, Verein für Niederdeutsch in Brandenburg und Domowina – Bund Lausitzer Sorben) geforderte und von uns als LINKE unterstütze Erweiterung der Minderheitenrechte.
Vor diesem Hintergrund hatte DIE LINKE zur Anhörung des Hauptausschusses am 6. Oktober die international anerkannte Minderheitenexpertin Dr. Beate Sibylle Pfeil eingeladen. Sie ist Mitglied des Beratenden Ausschusses des Europarates für die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen – dieses Gremium überwacht die Einhaltung der Sprachencharta durch die Mitgliedsstaaten und bereitet entsprechende Bewertungen für den Europarat vor.
Dr. Pfeil machte deutlich, dass Europäische Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten zwar nicht zwingend Verfassungsvorschriften verlangt. Dennoch begrüßt der Europarat solche Verfassungsbestimmungen ausdrücklich. Denn eine Verfassung steht in der landesinternen Normenhierarchie an oberster Stelle. Die in Brandenburg vorgeschlagenen Einfügungen in der Landesverfassung hätten einen hohen Symbolwert und böten eine gewisse Gewähr für Stetigkeit und Verlässlichkeit der Politik gegenüber den deutschen Sinti und Roma wie auch gegenüber den Niederdeutschsprechenden. Die Expertin unterbreitete konkrete Vorschläge für die Ergänzung des Artikel 7a der Landesverfassung – Schutz des friedlichen Zusammenlebens – als auch für einen Artikel zu den Rechten der deutschen Sinti und Roma. Vor dem Hintergrund der Sorben/Wenden-Bestimmung (Artikel 25) habe der Beratende Ausschuss in seinem letzten Bericht bedauert, dass es nicht Vergleichbares in Bezug auf die Sinti und Roma gibt.
Bezogen auf Niederdeutsch in der Landesverfassung sah Dr. Pfeil einen besonderen Bedarf an Niederdeutschunterricht. Hier schlug sie vor, statt des Schutzes und der Förderung des Niederdeutschen – wie in Schleswig-Holstein - speziell die Förderung des Unterrichts in Niederdeutsch festzuschreiben oder eine solche Klausel zusätzlich einzufügen. Beides würde eine Stärkung der Verpflichtungen bedeuten, die sich aus der Sprachencharta ohnehin ergeben.
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Lausitz - Łužyca - Łužica
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Unsere Fraktion hat in den vergangenen Monaten wie in der Zeit davor erneut verschiedene Aspekte der Zukunft der Lausitz - Łužyca – Łužica zu ihrem Thema gemacht. Angesichts der am 24. November öffentlich gewordenen Pläne der Ampelkoalition auf Bundesebene, den Kohleaussteig auf das Jahr 2030 vorzuziehen, forderte die Sprecherin für die Strukturentwicklung der Lausitz, Anke Schwarzenberg mehr Unterstützung für die Region und mehr Tempo - Brandenburg muss den Strukturwandel schneller und effektiver organisieren. Für den verkehrspolitischen Sprecher Christian Görke, seit kurzem Mitglied des Deutschen Bundestages, standen bessere Verkehrslösungen für die Lausitz im Mittelpunkt: der zweigleisige Ausbau der Strecke Cottbus/Chóśebuz – Lübbenau/Lubnjow, die stündliche Bedienung der Haltepunkte Kolkwitz/Gołkojce und Kunersdorf/Kósobuz und die grenzüberschreitende Bahnverbindung von Guben nach Polen.
Christian Görke war es auch, der Ende Juni mit einer Kleinen Anfrage wieder mal die Anrechnung der Mittel des Just Transition Fund (Transformationsfonds der EU) auf die Mittel des Bundes für den Strukturwandel in Frage stellte. Das Thema „Wasser“ war vor allem das Thema des umweltpolitischen Sprechers der Fraktion, Thomas Domres. Zum Teil zusammen mit Kathrin Dannenberg fragte er die Landesregierung nach der Entnahme von Kühlwasser aus der Spree für das Kraftwerk Jänschwalde, zu bergbaubedingten Wasserstandabsenkungen in der Lausitz oder zum zukünftigen Wassermanagement. Und die Fortschreibung des für die Lausitz wichtigen Verwaltungsabkommens für die Braunkohlesanierung war Gegenstand einer Kleinen Anfrage unseres Fraktionsvorsitzenden Sebastian Walter.
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Zusammenarbeit mit Sachsen
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Mehr als zwei Jahre nach den Landtagswahlen in beiden Ländern (September 2019) tagten die Sorbenräte des Sächsischen und des Brandenburger Landtages erstmals wieder zusammen. Diese gemeinsamen Beratungen finden abwechselnd nach den Regeln des Landtages am jeweiligen Tagungsort statt. Dass sie, wenn die Sachsen das Sagen haben, nicht öffentlich sind, daran mussten wir uns in Brandenburg notgedrungen gewöhnen. Diesmal kam es aber noch einen Zacken schärfer: Denn die sächsische Seite bestand darauf, dass auch keine Abgeordneten an der virtuellen Zusammenkunft teilnehmen. Erstmals seit Bestehen des Brandenburgischen Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden (1994) war den Mitgliedern des hiesigen Landtages der Zutritt verwehrt. Ein merkwürdiges Verständnis von Transparenz des sächsischen Rates, dessen Aufgabe es ist, den Landtag zu beraten.
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