9. Juli 2020
Newsletter Minderheitenpolitik Nr. II

Liebe Leserinnen und Leser,

die parlamentarische Sommerpause hat gerade begonnen. Vorher gab es eine Menge Interessantes aus dem Bereich der Minderheitenpolitik – mit Anträgen, Entschließungsanträgen, Großen, Kleinen und Mündlichen Anfragen sowie Wortbeiträgen hat DIE LINKE deutlich gemacht, welche Anforderungen sie für die Landespolitik sieht. Lesen Sie selbst.

Dieser Newsletter wird an Kontaktadressen von Vereinen, Einrichtungen und Initiativen geschickt, die auf den jeweiligen Internetseiten öffentlich zugänglich sind. Gerne können Sie den Newsletter an mögliche weitere Interessenten weiterleiten. Wenn Sie Ihn direkt abonnieren oder nicht mehr erhalten wollen, schicken Sie uns bitte eine kurze Mail.

Ich wünsche Ihnen – nach den stressigen Corona-Monaten – ein paar erholsame Tage. Bleiben Sie gesund.

Ihre Kathrin Dannenberg
(Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Minderheitenpolitik)

 

8. Mai 1945 – Gedenken und Verantwortung

 

Am Tag vor dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des zweiten Weltkriegs in Europa behandelte der Landtag die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage „Wider das Vergessen: Gedenk-, Bildungs- und Erinnerungsarbeit in Brandenburg 75 Jahre nach dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa“. Mehrere Abschnitte dieser Anfrage waren dem Gedenken an verfolgte und ermordete Angehörige von Minderheiten, darunter der deutschen Sinti und Roma und der Sorben/Wenden, gewidmet. 

Die Antworten brachten kaum neue Erkenntnisse. Schon gar nicht leitete die Landesregierung Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Gedenk- und Bildungspolitik der Landespolitik ab. Vor diesem Hintergrund forderte die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Isabelle Vandre: „Nur wenn wir in der Lage sind, aus dem Vergangenen zu lernen, die Erinnerung wachzuhalten und uns mit ganzer Kraft für die Verteidigung der Menschlichkeit und der demokratischen Werte einzusetzen, haben wir eine Chance, dass das Credo 'Nie wieder Auschwitz!' Realität wird. All das setzt eine starke Gedenk-, Bildungs- und Erinnerungsarbeit voraus, für die wir alle hier die Verantwortung tragen.“ Dafür hatte unser Entschließungsantrag Anregungen formuliert. Den lehnte die Koalition ab und setzte anstelle dessen einen rein deklaratorischen Antrag. Für uns und unsere Partnerinnen und Partner gilt es also weiter „dicke Bretter“ zu bohren.

 

Strukturentwicklung in der Lausitz nicht ohne Sorben/Wenden

 

Im zweiten Quartal hat DIE LINKE zwei Anträge zur Strukturentwicklung in der Lausitz in dem Landtag eingebracht. Beide enthalten Aussagen zur Absicherung der Mitwirkung der Sorben/Wenden. Der Antrag „Beteiligung der Zivilgesellschaft am Strukturwandel sichern“ enthielt die Forderung gegenüber der Landesregierung, in allen Phasen des Strukturwandels die Rechte des sorbischen/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seines angestammten Siedlungsgebietes zu gewährleisten und die Interessen der Sorben/Wenden bei der Gestaltung der Landes- und Kommunalpolitik zu berücksichtigen. Kathrin Dannenberg machte in diesem Zusammenhang deutlich: „Die größte Stärke der Lausitz sind zweifelsfrei die Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Sie bringen alles mit, um die Region zukunftsfähig zu entwickeln. Aber dafür müssen die Lausitzerinnen und Lausitzer entsprechend am Strukturwandel beteiligt werden. Derzeit wird er von ihnen als reines Verwaltungshandeln reflektiert. Es gibt wenig Mitsprache, dafür Projektlisten zuhauf.“

Unser Antrag wurde abgelehnt, ohne dass die Koalition das Thema mit einer eigenen Initiative aufnahm. Zu Beginn der Sommerpause folgte, abgestimmt mit der sächsischen Landtagsfraktion, ein weiterer Vorstoß für mehr Transparenz und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Strukturwandelprozessen: Beide Fraktionen regten per Antrag an, im Sächsischen Landtag und im Landtag Brandenburg jeweils einen Ausschuss für die Strukturentwicklung in der Lausitz zu bilden, die auch gemeinsam tagen. Im Brandenburger Ausschuss sollen für die Sorben/Wenden sowohl der Sorben/Wenden-Rat als auch die Domowina als in Brandenburg anerkannter Dachverband der Minderheit beratende Stimme haben.

 

Eine unendliche Geschichte

 

Seit Inkrafttreten des Sorben/Wenden-Gesetzes am 1. Juni 2014 war das Bildungsministerium nicht imstande, die völlig veraltete Verordnung aus dem Jahr 2000 gemeinsam mit dem Rat zu verabreden. Stattdessen folgten endlose Gespräche in der sorbisch-wendischen Bildungs-AG beim MBJS und im Rat. Noch im Mai antwortete Britta Ernst auf eine Mündliche Anfrage von Kathrin Dannenberg, wie denn der Zeitplan für das Inkrafttreten der Verordnung aussehe, ausweichend. Indirekt machte sie den Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden verantwortlich, der seine Stellungnahme zum Entwurf des Ministeriums noch nicht vorgelegt hätte. Ja, Corona führte auch bei den ehrenamtlichen Ratsmitgliedern zu Verzögerungen. Entscheidend ist aber etwas anderes. Im Ministerium gab es bisher keine klaren Weisungen, dass man endlich konstruktiv mit den wiederholt vom Rat vorgetragenen Hinweisen und Kritiken zum Ministeriumsentwurf umgeht.

Die Ratssitzung am 19. Juni machte deutlich, dass nun offensichtlich (mal wieder) Bewegung in die Sache gekommen ist. Der zuständige Referatsleiter berichtete, dass die Ministerin den Auftrag erteilt hätte, die Vorschläge des Rates bis Ende Juni zu bewerten. Mal sehen, ob der neue Zeitplan des MBJS – Inkrafttreten zum Beginn des Schuljahres 2021/22 – eingehalten wird. Denn, wie Ratsmitglied William Janhöfer in der Sitzung sagte: Die neue Verordnung hätte schon längst in Kraft getreten sein können, wenn uns das Ministerium erklärt hätte, warum bestimmte Dinge, die wir fordern, nicht gehen!

 

Namensrechtsnovelle in Sicht?

 

Seit Jahren fordern Minderheitenorganisationen, dass Sorbinnen/Wendinnen endlich erlaubt wird, ihren Familiennamen entsprechend den Regeln ihrer Muttersprache zu verwenden. Nach sorbischer/wendischer Tradition ist es üblich, dass weiblichen Familiennamen - je nach dem Familienstand - eine bestimmte Endung angefügt wird. Bis heute lässt das deutsche Namensrecht solche Familiennamen nicht zu.

DIE LINKE unterstützt die Forderung der Sorben/Wenden, jetzt mit einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung. Obwohl es mittlerweile ein Expertengremium des Bundesinnenministeriums empfohlen hat, künftig die Verwendung der sorbischen/wendischen Suffixe auch offiziell zu erlauben: Bis zur Änderung der Gesetze ist es noch ein weiter Weg: „Nach einem so langem Vorlauf, meint Kathrin Dannenberg, waren zügige Änderungen des Namensrechts angezeigt. Die CDU-CSU-SPD-Koalition in Berlin verschiebt die Entscheidung aber auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Ob die Veränderungen dann kommen, wird maßgeblich davon abhängen, dass der Druck der Minderheitenorganisationen und der beiden Landesregierungen nicht nachlässt.“ Die Linksfraktion erwartet, dass sich die brandenburgische Regierung nicht einfach zurücklehnt und abwartet, was der Bund macht, sondern dass auch sie diese Forderung im Interesse der Sorbinnen/Wendinnen beim Bund regelmäßig anspricht.“

Denn: Vor der letzten Bundestagswahl sahen SPD und CDU keinen Bedarf für eine Änderung: Während die SPD Gesetzesänderungen wegen der damit verbundenen erheblichen Probleme in der Verwaltungspraxis ablehnte, …. antwortete die CDU/CSU auf die Frage der Domowina erst gar nicht.

 

Grundgesetz-Änderung – weiter auf der Tagesordnung!?

 

Brandenburg hatte noch unter Rot-Rot in den Bundesrat einen Antrag zur Aufnahme der Rechte der dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe, der deutschen Sinti und Roma sowie der Sorben/Wenden in das Grundgesetz eingebracht. In den Ausschüssen fand dieser keine Mehrheit. Vor dem Hintergrund hat sich DIE LINKE seitdem wiederholt bei der Landesregierung danach erkundigt, was diese denn gemeinsam mit den anderen Antragstellerinnen (Schleswig-Holstein und Sachsen) tut, um dem Antrag im Bundesrat doch noch zu einer Mehrheit zu verhelfen.

Im Juni traf dazu die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von Kathrin Dannenberg ein. Die Antwort wie auch die Beratung des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden am 19. Juni machten deutlich: Speziell die für Bundesangelegenheiten zuständige Staatskanzlei hat seit dem Herbst kaum etwas getan. Nach ihrer Auffassung muss die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) bei den anderen Bundesländern um Mehrheiten werben. Dies wird der Sorben/Wenden-Beauftragte Dünow, zugleich Staatssekretär im MWFK, jetzt sicher tun.

 

Landesverfassung: Briefe von Minderheitenorganisationen

 

Bereits im letzten Jahr trugen der Verein für Niederdeutsch in Brandenburg und der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg der Wunsch an verschiedene Parteien heran, die Brandenburger Verfassung um den Schutz der Regionalsprache Niederdeutsch und der Rechte der deutschen Sinti und Roma zu ergänzen. Bekanntermaßen hat die Linksfraktion diese Forderungen von Beginn an unterstützt – ein entsprechender Gesetzentwurf von uns liegt vor. Auf dieser Grundlage werden wir, dies haben wir gegenüber den Verbänden jetzt erneut deutlich gemacht, in Gesprächen mit den anderen Landtagsfraktionen weiter dafür werben, dass der Schutz der Sinti und Roma und das Niederdeutsche einen Platz in der brandenburgischen Landesverfassung bekommen.

 

Gedenken in Marzahn

 

Am 14. Juni gedachten wieder viele der Errichtung des Zwangslagers für die Sinti und Roma im Jahr 1936, unter ihnen unser Fraktionsvorsitzender Sebastian Walter. Erinnert wurde in diesem Jahr besonders an die Kinder und Jugendlichen, die im Lager starben. Am Denkmal für die im Zwangslager unter unmenschlichen Bedingungen Eingesperrten auf dem Parkfriedhof Marzahn und in den Gesprächen waren in diesem Jahr aktuelle Ereignisse präsenter als sonst. Petra Rosenberg, die Vorsitzende des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma sprach darüber, dass Angehörige ihrer Minderheit, wie jüngst in Göttingen, ohne Beweis von öffentlichen Stellen zu den Verursachern der neuen Corona-Ausbrüche gemacht werden – die jahrhundertealten Vorurteile gegen die Minderheit bekommen in der Corona-Krise so neue Nahrung.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau empörte sich, dass die Deutsche Bahn zusammen mit der Berliner Verkehrsverwaltung plane, die S21 in der Nähe des Reichstagsgebäudes zu bauen, ohne auf das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Rücksicht zu nehmen. Sie hätte – so Petra Pau – sich nie vorstellen können, dass so etwas möglich ist. Aber es ist geschehen: Ohne den Deutschen Bundestag und das Kuratorium der Stiftung für die ermordeten Jüdinnen und Juden, das Träger der Gedenkstätte für die Sinti und Roma im Tierpark ist, zu informieren, wurden Pläne entwickelt, die den zeitweisen Abbau des Denkmals einschlossen. Widerstand ist dagegen angesagt.

 

Wissen über eine unbekannte Minderheit: Sinti und Roma

 

Seit 2018 gibt es vor allem auf Drängen der LINKEN hin eine Vereinbarung des Landes mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg. Darin enthalten sind zahlreiche Verpflichtungen beider Partner für den Bereich der Bildung. Wie steht es knapp zwei Jahre nach Abschluss dieser Vereinbarung mit der Umsetzung, das wollte Kathrin Dannenberg, zugleich auch bildungspolitische Sprecherin, von der Landesregierung wissen. Die nun vorliegende Antwort des Bildungsministeriums auf die Kleine Anfrage verdeutlicht, wie groß die Aufgaben sind. Zweifelsohne spielen sowohl die Gedenkkultur als auch Bildung gegen Rassismus und Diskriminierung in der Politik der Landesregierung eine große Rolle. Was allerdings fehlt, ist der spezifische Bezug zu den Sinti und Roma, zu ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrem Alltag in unserer Region heute. Nur wer Wissen dazu hat, kann Empathie entwickeln und sich gegen das engagieren, was die Minderheit bis heute immer noch an Ausgrenzung und Diskriminierung erfährt.

 

Sorben/Wenden-Rat erstmals im Livestream

 

Am 19. Juni gab es eine minderheitenpolitische Premiere, nicht nur in Brandenburg, wahrscheinlich sogar bundesweit. Erstmals wurde die Sitzung eines parlamentarischen Gremiums für Minderheitenpolitik, des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden beim Landtag Brandenburg, live über die Internetseitseite des Landtages www.landtag.brandenburg.de übertragen. Fast vier Stunden, in voller Länge. Wir gehen davon aus, dass das keine „Eintagsfliege“ sein und auch die nächste Sitzung des Rates, die für den 25. August ab 13.30 Uhr geplant ist, im Livestream übertragen wird.

Zwei Tage zuvor war die Geschäftsordnung des Landtages in ihrer Fassung für die 7. Wahlperiode beschlossen worden. In 17 Paragrafen finden sich Aussagen zu den Rechten und (zuweilen auch) Pflichten des Rates für Angelegenheiten der Sorben/Wenden. Das Gremium entwickelt sich damit – in Bezug auf die Verfahrensregeln – immer mehr in Richtung eines ganz „normalen“ Landtagsausschusses.

 

Veranstaltungshinweis

 

Die deutschen Sinti und Roma sind eine auf dem Territorium des Landes Brandenburg anerkannte nationale Minderheit. Dennoch wissen nur wenige Brandenburgerinnen und Brandenburger, welche Geschichte die Minderheit hat und wie ihr Alltag in der Region Berlin-Brandenburg heute aussieht. Vor diesem Hintergrund plant die Fraktion gemeinsam mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma für den 25. August 2020 ab 17.30 Uhr eine Veranstaltung, mit der wir das Gespräch zwischen Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung in Gang setzen wollen. Nähere Informationen zur Veranstaltung gibt es bald hier.

 
 

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