Vor Ort in Guben: Wiederaufbau der Bahnverbindung nach Polen unsicher

Verkehrswende

Sie könnte ein großer Wurf werden für die Verkehrswende in der Grenzregion zwischen Brandenburg und der polnischen Wojewodschaft Lubuskie. Obendrein besäße die Wiederbelebung der historischen Fernbahnverbindung zwischen Leipzig, Cottbus und Poznań eine europäische Dimension. Denn nicht erst mit den alarmierenden Berichten der Wissenschaft zur Beschleunigung der menschengemachten Klimakrise ist klar: Der sozial-ökologische Umbau unserer Gesellschaften braucht ein Revival der Eisenbahn im Personen- wie im Gütertransport. Der unscheinbaren Grenzbrücke über die Neiße zwischen Guben und seiner polnischen Nachbarstadt Gubin könnte dabei eine Schlüsselrolle zufallen.

Derzeit gibt es zwischen Brandenburg und Polen nur drei Grenzübergänge auf der Schiene, die regelmäßig befahren werden. Von Tantow nach Szczecin und von Küstrin-Kietz nach Kostrzyn verkehren Regionalbahnen. Zwischen Frankfurt/Oder und Kunowice befindet sich der Grenzübergang einer der wichtigsten europäischen Eisenbahnmagistralen. Hier queren Fernverkehrszüge wie der Berlin-Warszawa-Express und Güterzüge aus Osteuropa sowie Fernost. Diese Strecke, die von Frankfurt weiter nach Berlin führt, ist allerdings schon heute stark belastet. Hinzu kommen neben einer Fahrzeitverdichtung im Nah- und Fernverkehr noch das steigende Güterverkehrsaufkommen – auch durch die an der Strecke liegende Tesla-Ansiedlung in Grünheide.

Hier kommt der Grenzübergang Guben/Gubin ins Spiel. Denn die Bahnstrecke von Leipzig nach Poznań könnte wie ein Bypass zur Entlastung der Frankfurter Bahn und des Eisenbahnknotens Berlin wirken. Wer nicht dorthin will, würde über Cottbus in Richtung Mittel- und Süddeutschland fahren. Zusätzlich ließe sich die Lausitzmetropole wieder mit der polnischen Regionalhauptstadt Zielona Góra verbinden. Noch bis 1945 war das selbstverständlich. Eine Reaktivierung der Schienenstrecke, auf der heute nur gelegentlich Güterzüge rollen, wäre ein unschätzbarer Beitrag zum Zusammenwachsen der Gebiete beiderseits der Oder-Neiße-Grenze. Deshalb wird das Vorhaben von Vereinen und Fachverbänden, Kommunen und der Euroregion Spree-Neiße-Bober energisch unterstützt.

Mehr als einmal war auch Christian Görke in Guben, um sich mit Bürgermeister Fred Mahro (CDU) und weiteren lokalen Akteuren über den Stand des Projekts auszutauschen. Zuletzt war er am vergangenen Dienstag angereist, um den Zustand der Eisenbahnbrücke in Augenschein zu nehmen. Der Sprecher der Linksfraktion für Verkehrs- und Europapolitik weiß, dass die Herausforderungen technisch gesehen überschaubar sind: „Auf deutscher Seite geht es um die Elektrifizierung des zwei Kilometer kurzen Streckenabschnitts vom Bahnhof Guben bis zur Grenzbrücke nach Gubin. Die Brücke muss ertüchtigt werden, befindet sich aber in einem akzeptablen Zustand. Das alles ist also kein Hexenwerk. Es braucht lediglich den politischen Willen, hier endlich voranzukommen.“

Doch genau daran könnte das gesamte Vorhaben scheitern. Zwar haben Bund und Land die Maßnahme in das Strukturstärkungsgesetz für die Kohleregion Lausitz aufgenommen. Doch seit kurzem wird die Finanzierung der Schienenprojekte von der Brandenburger Landesregierung in Frage gestellt. Dieser fehlt nämlich das Geld für den prestigeträchtigen Aufbau einer medizinischen Fakultät an der Universität Cottbus. In Frage steht deshalb auch der Ausbau der Bahnstrecke Leipzig – Cottbus für Fahrtgeschwindigkeiten bis 160 km/h.

Für Christian Görke ist klar: „Diese Bahnverbindung muss kommen. Anderenfalls werden sowohl die Verkehrswende, als auch der Strukturwandel in der Lausitz nicht gelingen.“